Jolines Frankreich-Austausch
Einleitung
Mittlerweile nehmen regelmäßig LSG-Schülerinnen und -Schüler der Jahrgänge 9 und 10 erfolgreich am Brigitte-Sauzay-Programm des Deutsch-Französischen Jugendwerkes teil. So haben im letzten Turnus drei Schülerinnen teilgenommen, am nächsten werden es ebenfalls drei sein!
Lesen Sie hier den persönlichen Austauschbericht von Joline Tecklenburg, 10b, die drei Monate in Le Havre (Frankreich) verbracht hat. Darin erfahren Sie einiges über Anforderungen und Ansprüche sowie über die Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung der Teilnehmenden.
Falls Sie sich (für Ihr Kind) für einen Frankreich-Austausch über das Brigitte-Sauzay-Programm interessieren, sprechen Sie uns gerne an!
Jolines Bericht
Ein Schüleraustausch war zwar nie eines meiner großen To-Dos oder überhaupt etwas, das ich angestrebt habe, und dennoch wurde er erfolgreich von dem Brigitte-Sauzay-Programm in die Realität umgesetzt. Das Brigitte-Sauzay-Programm ist ein dreimonatiger deutsch-französischer Austausch, der vom l`OFAJ und dem DFJW organisiert wird. Dabei empfängt man einen französischen Austauschpartner für drei Monate und geht dann später selber nach Frankreich. Die Organisation lässt einem hierbei viel Freiraum, bietet aber auch viel Unterstützung. Uns wurden Daten für den Austausch vorgeschlagen, diese waren aber auch frei abwandelbar. Mein Austauschpartner hat sich beispielsweise dazu entschieden nur zwei Monate zu bleiben, statt den eigentlichen drei und er kam früher als die vorgegebenen Daten. Trotzdem wurde uns durch Konferenzen und in meinem Fall auch Privattelefonaten und einen regelmäßigen Emailaustausch viel Unterstützung geboten. Diese Privattelefonate hatten den Grund, dass mein erster Austauschschüler sich letztendlich doch noch gegen die Teilnahme am Austausch entschieden hatte und die Organisation mit mir versuchte eine Lösung zu finden, so dass ich weiterhin am Austausch teilnehmen kann. Und wir waren erfolgreich. Wir hatten zwar nur einen Monat Zeit, um den Austausch zu planen, aber ein Austausch bedarf ehrlich gesagt weniger Vorbereitung als man anfangs erwartet. Auch wenn einen die größte Veränderung erst in Frankreich erwartet, ist es auch eine neue Erfahrung für sich, einen Austauschschüler aufzunehmen. Viele Orte, die ich nicht mehr wirklich beachtet habe, weil ich sie schon etliche Male gesehen habe, wurden wieder interessanter. Und man selber ist weniger einsam und dementsprechend tritt auch weniger Langeweile auf. Daher war die größte Umstellung, nachdem mein Austauschschüler wieder gegangen war, die Einsamkeit und auch die zwischenzeitliche Langeweile.
Einen Monat später ging ich dann aber auch schon nach Frankreich. Wir fuhren an einem Freitag los, so wie die Organisation es empfohlen hatte. So würde ich das Wochenende haben, um die Familie kennenzulernen und um mich einzurichten. Dazu ist es dann aber nicht gekommen, denn meinen ersten Schock in Frankreich durfte ich dann noch am Abend meiner Ankunft erfahren – die nächsten drei Monate würde ich auch samstags Schule haben! Und um ehrlich zu sein, eine Sechs-Tage-Woche ist sehr anstrengend, wenn die Schultage dann auch noch meistens bis 17 Uhr gehen und eine Schulstunde nicht 45 Minuten, sondern ganzen 60 Minuten entsprechen. Mittwochs und samstags hatten wir zwar nur bis 12 Uhr Schule, die Tage waren aber trotzdem meistens den Hausaufgaben gewidmet. In der wenigen Freizeit, die man hatte, mussten Treffen mit Freunden früh genug organisiert werden und da jeder Schüler einen individuellen Stundenplan besitzt, hat es sich nicht allzu einfach gestaltet, sich mit anderen zu treffen. Die Schulen in Frankreich nehmen so gut wie die gesamte Zeit der französischen Schüler in Anspruch. Und obwohl die Schüler wesentlich längere Schultage haben, haben sie trotzdem mehr Hausaufgaben als Schüler in Deutschland. Tage, an denen wir keine Hausaufgaben aufhatten, kamen eigentlich gar nicht vor. Sogar in den zweiwöchigen Herbstferien gaben die Lehrer Aufgaben auf – und es waren keine kurzen, schnell zu erledigen Aufgaben, sondern solche, an denen man mindestens zwei Stunden dran saß. Parallel zu den Aufgaben der französischen Schule habe ich auch noch die aus Deutschland gemacht. Was ich dazu sagen muss ist, dass es enorm viel Zeit in Anspruch nahm. In Frankreich ging ich in die "Première", gleichzusetzen mit der deutschen elften Klasse. Da ich dort mitgearbeitet habe und anders als andere Austauschschüler, die ich dort kennengelernt habe, auch die Tests mitgeschrieben habe, ist der aktuelle Stoff sehr einfach mitzuarbeiten. Und das Mitschreiben der Tests kann ich nur empfehlen. Die Lehrer fragen vorher immer, ob man es versuchen will und ganz ehrlich, es ist eine gute Einschätzung und auch Übung für sich selbst, von daher verstehe ich bis jetzt nicht, warum manche nicht mitschreiben wollten. Das parallele Mitarbeiten des deutschen Schulstoffes war zwar anstrengend, hat mir aber bei meinen späteren Ersatzleistungen sehr viel geholfen. Würde ich also empfehlen die Aufgaben aus Deutschland mitzuarbeiten? Auf jeden Fall. Würde ich empfehlen, jede einzelne Aufgabe wie ich es getan habe zu bearbeiten? Nicht unbedingt. Es reicht, wenn man das Thema versteht und zumindest grundlegende Aufgaben lösen kann. Ja, mit der Teilnahme an einem Austausch kommt viel Arbeit auf einem zu und das auch noch nach dem Austausch und es wirkt vielleicht ein wenig abschreckend, aber es ist es wert. Und spätestens in Frankreich habe ich gelernt wie lange der Tag eigentlich ist und wie viel man schaffen kann. Vor allem in der Zeit nach Frankreich habe ich gemerkt, dass ich wesentlich produktiver und mir auch bewusster über meine Zeit geworden bin.
Natürlich bestand meine Zeit in Frankreich nicht nur aus Schule, auch wenn die einen großen Teil eingenommen hat. Sportliche und musikalische Aktivitäten hatten einen hohen Stellenwert in Frankreich. Die musikalischen Aktivitäten sind außerschulisch und finden somit in der Freizeit statt. Als eine musikalisch nicht allzu begabte Schülerin gab mir dies rund zwei Stunden mehr Freizeit in der Woche, die für meine deutschen Aufgaben, teilweise aber auch fürs Telefonieren mit Familie und Freunden draufgingen. Dadurch, dass ich in Frankreich in einer Stadt gelebt habe, war es schon ziemlich überraschend wie viele Freizeitangebote es gab. Wir haben Fechten und Lichtschwert – eine sogar in Frankreich untypische Sportart – ausgeübt. Und obwohl ich sagen muss, dass die Schutzkleidung ein Komplex für sich ist, war es eine tolle Erfahrung, auch neue und vor allem untypische Sportarten auszuprobieren. In unserer freien Zeit an Sonntagen und auch in den zweiwöchigen Herbstferien waren wir viel unterwegs. Wir waren beispielsweise in Étretat, Deauville, Honfleur und Bayeux. Und auch im Osten waren wir für mehrere Tage in Montlebon oder Besançon. Selbstverständlich haben wir auch ein paar Tage in Paris verbracht. Und Le Havre, die Stadt in der ich die drei Monate lebte, war auch nicht unbedingt klein und es gab viel zu sehen. Privat war ich schon selber im Südwesten Frankreichs und jetzt, nach meinem Austausch, kenne ich den Nordwesten sowie den Nordosten und auch wenn man persönliche Präferenzen hat, in welche Region man gerne hinmöchte, spielen diese im Endeffekt nicht wirklich eine Rolle, da Frankreich einfach überall schöne Ecken hat, die sehenswert sind. Und das gilt auch für jedes noch so kleine abgeschiedene Dorf.
Ja, ein Schüleraustausch bringt viel Arbeit mit sich, Arbeit aus Frankreich, aber auch aus Deutschland und ja, es erfordert schon Mut sich einem Austausch zu stellen. Wenn man wieder nach Hause kommt, kann sich viel geändert haben und der Austausch kann einem viel abverlangen. Für mich beispielsweise war es, dass eines meiner Haustiere gestorben ist, während ich in Frankreich war. Ein Austausch hat nicht nur positive Seiten.
Trotzdem überwiegen für mich die positiven Seiten, sodass ich mich entschieden habe, an einem weiteren Austausch teilzunehmen! Und ja, auch dieses Mal erfordert es Mut. Aber auf der anderen Seite stehen für mich einfach die ganzen positiven Entwicklungen meinerseits. Ich bin jetzt selbstständiger, offener und vor allem selbstbewusster anderen Menschen gegenüber. Eigene Freunde zu finden, mit denen ich über den Austausch hinaus weiterhin Kontakt habe, ist mir erfolgreich gelungen. Mein Französisch und vor allem mein Verständnisvermögen haben sich deutlich erweitert. Ich habe meine Belastungsgrenze kennengelernt und diese erweitert und auch mein Zeitmanagement hat sich verbessert. Ebenso gab mir der Austausch die Möglichkeit, ein Stück mehr von der Welt kennenzulernen und dies nicht als Tourist. Ich war für drei Monate an den Orten und Restaurants, in denen man die Einwohner antrifft und ich habe selber den Alltag eines Einwohners kennengelernt. Im Generellen überwiegen die positiven Aspekte einfach. Dementsprechend würde ich jedem – auch denen, die sich noch unsicher sind – einen Austausch einfach nur empfehlen.