Botschafter a.D. Martin Erdmann hält Vorträge am LSG
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine beschäftigt die SchülerInnen und LehrerInnen des Laurentius-Siemer-Gymnasiums auf vielfältige Weise. Mit einem Spendenlauf konnte die Schulgemeinschaft über 15.000€ für die „Aktion Deutschland hilft“ einsammeln. Doch neben der großen Hilfsbereitschaft tauchen auch immer wieder zahlreiche Fragen auf, die mit diesem Konflikt im Zusammenhang stehen und die SchülerInnen über den Unterricht hinaus beschäftigen. Aus diesem Grund kam nun Martin Erdmann als Gastredner zu zwei Vorträgen ans LSG, der als Beigeordneter Generalsekretär für Politische Angelegenheiten und Sicherheitspolitik bei der NATO in Brüssel und als Botschafter a.D. in der Türkei viele Erfahrungen auf dem diplomatischen Parkett sammeln konnte.
Erdmann betonte gleich zu Beginn seines Vortrags, dass es ihm besonders wichtig sei, mit den SchülerInnen ins Gespräch zu kommen und möglichst viele ihrer Fragen beantworten zu können. Diese hatten sich ihrerseits auf den Besuch des Diplomaten im Politikunterricht vorbereitet und zahlreiche Fragen erarbeitet, die durchaus auch von Sorgen in Anbetracht der Kriegssituation geprägt waren. Nachdem Erdmann gemeinsam mit den SchülerInnen über den Begriff der „Zeitenwende“ diskutiert hatte, fragte eine Schülerin, ob der Krieg in der Ukraine auch das Potenzial habe, sich zu einem 3. Weltkrieg auszuweiten, in dem auch Atomwaffen zum Einsatz kommen könnten. Martin Erdmann hielt dieses Szenario für nicht sehr wahrscheinlich, ergänzte aber, dass er dafür leider keine Garantie abgegeben könne, da auch er nicht wisse, was in Putins Kopf vorgehe. Laut Erdmann halte Putin die Auflösung der Sowjetunion für die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts und so sei nicht auszuschließen, dass es in Moskau auch einen gewissen „Appetit“ auf die baltischen Staaten gäbe. Letztendlich gelte für den Einsatz von Atomwaffen eine alte Regel, die schon im Kalten Krieg Gültigkeit gehabt hätte: „Wer als erstes schießt, ist als zweites tot.“ Erdmann betonte, dass er mit einer langfristigen Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine rechne. Putin sei eine große Fehleinschätzung und ein strategischer Irrtum unterlaufen. „Er hat die Widerstandsfähigkeit des ukrainischen Militärs und der ukrainischen Bevölkerung unterschätzt.“
Neben dem Krieg in der Ukraine fragten die SchülerInnen auch nach Erdmanns Zeit als Botschafter in der Türkei. Erdmann erläuterte, dass die Türkei nicht nur ein wichtiger wirtschaftlicher Partner, sondern auch aufgrund der vielen türkischstämmigen MitbürgerInnen mit Deutschland eng verbunden sei. Als Erdmann von einem Schüler nach den vielen Einbestellungen durch den türkischen Präsidenten Erdogan gefragt wurde, antwortete er humorvoll mit einer Fotomontage von der Satireseite „Der Postillion“, die ihn in einem Zelt vor dem türkischen Außenministerium zeigt und ergänzte augenzwinkernd: „Kein Botschafter ist so oft einbestellt worden wie ich.“
Nach den 90 Minuten waren sich alle ZuhörerInnen einig, dass das Gespräch mit Herrn Erdmann sehr gewinnbringend und informativ gewesen sei. Auch Rouven Wenke, der als Politiklehrer die Veranstaltung organisiert und begleitet hatte, zeigte sich sehr zufrieden. „Der Vortrag war für die Schülerinnen und Schüler sehr interessant, da der Begriff der ‚Zeitenwende‘ von einem Politik-Profi mit ihnen zusammen vor dem Hintergrund der internationalen Beziehungen eigeordnet wurde.“ So seien spannende Einblicke in die Weltpolitik eröffnet worden, so Wenke.
Fotos: O. Thoben / Walter