Es muss schon einen besonderen Grund geben, wenn Schüler am letzten Schultag vor den Ferien freiwillig in der 7./8. Stunde in der Schule bleiben. Und in der Tat wurde den Schülerinnen und Schülern des Jahrgangs 10 an diesem Freitag etwas Außergewöhnliches geboten: eine spannende Lesung mit dem bekannten Autoren Finn-Ole Heinrich.
Inzwischen ist es gute Tradition am LSG, in jedem Schuljahr einen Schriftsteller für eine Lesung einzuladen. In diesem Jahr konnte man den Autoren Finn-Ole Heinrich engagieren. Heinrich wurde 1982 geboren und lebt in Hamburg, wo er als Schriftsteller und Filmemacher arbeitet. Für sein Buch „Frerk, du Zwerg!“ wurde er 2012 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.
Anstatt aus seinem Roman „Räuberhände“ zu lesen, der für Hamburger Abiturienten im vergangenen Jahr Pflichtlektüre war, präsentierte Heinrich mit drei Kurzgeschichten einen Einblick in sein schriftstellerisches Schaffen. Zunächst las Heinrich die Kurzgeschichte „Helm auf“ vor, die aus der Sicht eines Jungen erzählt, der sich dazu entschließt einen schwarzen Helm aufzusetzen und diesen aus Trotz über den Verlust seines Vaters nicht wieder abzusetzen. Anschließend diskutierte Heinrich mit den Jungen und Mädchen über die spannende Frage, ob und wie Kinder diese Geschichte schon verstehen können. „Man sollte Kinder nicht in Watte packen“, so die Meinung des Autoren, der selber im Alter von 5 Jahren die Trennung seiner Eltern erleben musste. Er habe sich damals nicht immer ernst genommen gefühlt, so Heinrich. Die zweite Kurzgeschichte „Machst du bitte mit“ berichtet von Henning, der in einem Heim für schwer erziehbare Kinder lebt, weil er einen kleinen Jungen misshandelt hat. Die Geschichte, die sowohl inhaltlich als auch sprachlich erschütternd und drastisch ist, ließ die Zuhörer nicht unberührt. Heinrich berichtete, dass er selber zwei Jahre in einer Einrichtung für schwer erziehbare Kinder ehrenamtlich gearbeitet habe und dort Kindern mit einer ähnlichen Geschichte wie Henning begegnet sei. Diese Erfahrungen schrieb er sich anschließend mit dieser Geschichte von der Seele. „Ich hätte sonst Angst gehabt, diese Geschichten mein ganzes Leben mit mir rumtragen zu müssen,“ so Heinrich. Ein vollkommen anderes, aber ebenso nachdenklich stimmendes Thema behandelte die Kurzgeschichte „Zeit der Witze“. Die Geschichte handelt von einem Paar, das nach einem schweren Unfall der Frau, die dabei ein Bein verliert, in eine tiefe Beziehungskrise gerät. Auf die Frage einer Schülerin, ob dieses Thema auch aus einer realen Erfahrung heraus entstanden sei, erzählte Heinrich, dass diese Geschichte aus seinen Gedanken über den Begriff ‚Heimat‘ entstanden sei. „Ich empfinde den eigenen Körper und den Körper des Partners als Heimat und ich habe mich gefragt was passiert, wenn sich diese Heimat plötzlich sehr stark verändert. Diese Gedanken waren die Grundlage für meine Geschichte.“
Mit dieser Geschichte endete die Lesung und der Autor erhielt für seine Darbietung großen Applaus vom Publikum. Im Anschluss trug sich Heinrich noch in das Gästebuch der Schule ein. Die Schülerinnen und Schüler hatten nicht nur unterhaltsame und interessante 75 Minuten erlebt, sondern werden sicherlich auch viele anregende Gedanken aus dieser Lesung mit in die Herbstferien nehmen.